Klangkunst - Heinz Weber

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ora et labora

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ora et labora

„ora et labora“ ist eine Klanginstallation für 6 im
Kreis
angeordnete Lautsprecher. Die Klanginstallation ist ein Labor, in dem ich der Frage nachgehe, ob es möglich ist, Klang nicht als eine Erscheinung „im“ Raum zu betrachten, sondern Klang und Raum gleichzusetzen und somit eine Situation des „in einem Klang Seins“ zu schaffen.

Im Klang sein

Mich fasziniert die Vorstellung von Klang mit einer grossen Entropie, Klang als maximale Unordnung im Raum. In meiner natürlichen Umgebung höre ich Klänge, die einen bestimmten Ursprungsort (Klangquelle) haben. Diese Klänge können sich selbst bewegen, oder ich als Hörer bewege mich an ihnen entlang. Ich stelle mir aber einen Raum vor, in dem Klänge nicht verortet sind und in dem sie keine Bewegung ausführen.

 

Das Klangmaterial in „ora et labora“ ist gearbeitet nach den Grundgedanken meines Textes „Raumverdränger“ (2012), der Auflösung von Ort und Bewegung eines Klanges und der hypothetischen Gleichsetzung von Klang und Raum.

 

Auszüge aus dem Text „Raumverdränger“:

„In der Realität hat ein Klang einen Ursprungsort (Klangquelle) und kann eine Bewegung im Raum vollziehen. Dies geschieht entweder durch Bewegung des Ursprungsortes oder durch Bewegung des Hörers. Das Verhältnis zwischen Klang und Hörer ist ein „Gegenüber“. Beide haben einen klar bestimmbaren Ort, auch wenn der Klang sich diffus im Raum verteilt.

Ich beschäftige mich mit der Frage: Ist es möglich „im Klang“ zu sein?

 

Ein Beispiel:

1. Ich stehe an der Strasse, ein Auto fährt vorbei.

2. Ich sitze in einem fahrenden Auto, das Auto bewegt sich im Verhältnis zu meinem Körper nicht.

 

Wenn ich jetzt „Auto“ durch „Klang“ ersetze, ist meine Wahrnehmung in der zweiten Position die, dass:

1. Ein Klang keinen klar bestimmbaren Ursprungsort hat.

2. Ein Klang keine klar bestimmbare, funktionale Bewegung im Raum vollzieht.

 

Das Labor (Versuchsanordnung)

Ein Raum mit 6 Lautsprechern in gleichmäßiger kreisförmiger Anordnung (Hexagon). Die Mitte des Raumes bildet einen Ort, von dem aus sich alle Lautsprecher in (ungefähr) gleicher Entfernung befinden. Dies ist die ideale Hörposition.

Ein Klang wird granuliert, d.h. er wird in kleine Teile (in der Größe einiger Millisekunden) zerteilt. Diese Granulare werden auf die einzelnen Lautsprecher in der zeitlichen Abfolge ihres realen Zeitverlaufes verteilt. Dabei erklingt jedes Granular nur aus einem einzigen Lautsprecher, es hat in seiner Präsenz also nur einen Klangort. Die Zuordnung der Granulare zu den einzelnen Lautsprechern (Reihenfolge) ist per Würfelspiel ermittelt.

Dieses immer nur kurze, bruchstückhafte Erscheinen eines Klangs an jeweils einer anderen Klangquelle bedeutet die Auflösung einer semantischen Form des Klangs. Es ist ihm kein eindeutiger Ursprungsort zuzuordnen und es ergeben sich keine klar bestimmbaren Bewegungen im Raum. Somit ist der Raum kein funktionales System mehr, in dem Klang ist, sondern es gibt eine Gleichheit: Klang ist Raum!“

 

Klangmaterial + Komposition

Im Jahr 2017 hatte ich die Möglichkeit, in der Abtei St. Hildegard, einem Benediktinerinnen-Kloster in Eibingen/Rüdesheim, drei Tage lang Tonaufnahmen zu machen. Eigentlich findet das klösterliche Leben unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, lediglich in der Kirche ist Besuchern die Teilnahme an den Vespergottesdiensten möglich. Ich hatte Gelegenheit, auch die Arbeitswelt im Kloster kennen zu lernen und in Werkstätten und Wirtschaftsräumen den klösterlichen Alltag in Tonaufnahmen zu dokumentieren, sowie an drei Tagen den abendlichen Vespergottesdienst.

 

Die kompositorische Grundstruktur der Klangarbeit „ora et labora“ ergibt sich aus Verlauf und Dauer der abendlichen Vesper mit ihren Wechselgesängen von Solistin und Chor. Jeweils drei Wechselgesänge „Solistin – Chor“ bilden eine Sequenz von ca. 1 - 2 min Länge. Das weitere Tonmaterial ist in numerischer Reihenfolge den insgesamt 17 Sequenzen des Vespergottesdienstes zugeordnet und bildet so für jede Teilgruppe ein spezifisches Klang-Archiv.

 

Die Arbeit in den einzelnen Sequenzen erschliesst sich über das Hören. Ich nehme eine der Sequenzen und höre zunächst intensiv alle sich dort befindlichen Klangstücke an, ich lerne sie quasi noch einmal neu zu hören und sie in dem Kontext der anderen Klänge zu betrachten. Dabei entstehen mögliche Verknüpfungen, Klänge kommen zusammen oder auch nicht, manche addieren sich bloss, bei anderen entsteht Neues. Es entwickeln sich flächige Sequenzen, Ereignisse oder Geschichten.

 

Das Klangmaterial wird nicht nach seiner Herkunft und Syntax, sondern rein vom Hören, von der akustischen Qualität und den klanglichen Charakteristika her betrachtet. Auf dieser Ebene des rein Klanglichen gibt es keine qualitative Wertigkeiten.

 

Eine CD-Dokumentation der 6-kanaligen Klanginstallation als Stereoversion ist nicht sinnvoll, da sich die - auf die 6 einzelnen Lautsprecher verteilten – granulierten Klangsplitter nicht auf einer stereophonen Fläche abbilden lassen. Ich habe mit dem Material von „ora et labora“ eine zweite 2-kanalige Version gearbeitet ohne die (oben beschriebene) Auflösung des Klangortes. Die hier vorliegende 2-Kanal-Version ist also nicht identisch mit dem Material der 6-kanaligen Klanginstallation, ist aber nach den gleichen Strukturen und mit demselben Tonmaterial gearbeitet.